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Der Schmetterling ~ Nr.95

Sonntag, 9. November 2025
Lernen fürs Leben Siegen e.V.

0151-5737-5277  ~  www.lfl-siegen.de

Ich fühle fruchtend eigne Kraft
Sich stärkend mich der Welt verleihn;
Mein Eigenwesen fühl ich kraftend
Zur Klarheit sich zu wenden
Im Lebensschicksalsweben.


Heute: Martinsbasar auf dem Eichhof

Sonntag, 9. November 2025
12-17 Uhr

Lebensgemeinschaft Eichhof
Eichhof 8
53804 Much

www.eichhof.org


Übermorgen: Eine besondere Theateraufführung

Der Rattenfänger
ein Hamelner Totentanz von
Michael Ende
Theater für Erwachsene (ab 16 J.)
gespielt in allen Rollen von
Monika von Tigerström

Dienstag, 11. November 2025, 19 Uhr
Christengemeinschaft Siegen
Melanchthonstr. 31


Die Handlung des Stückes rankt sich derart um die Eckdaten der altbekannten Sage, dass man kaum merkt, dass alle Elemente in dem Stück vorkommen. (Ein fremder Spielmann befreit Hameln von der Rattenplage, wird vom Magistrat um seinen Lohn geprellt, und führt am Ende die Kinder aus der Stadt). Schon nach kurzer Zeit wird man gewahr, dass ein völlig unerwartetes Drama unter diesem Gewand hervorbricht; wir werden mit Werteumkehr konfrontiert, die uns in ihrer Aktualität unter die Haut geht.

Michael Ende hat schon in den 80er Jahren vor den Zuständen gewarnt, in die uns unser auf Wirtschaftswachstums-Zwang und Kapitalrendite basierendes Geldwesen führt. Man kann dieses Stück als seine Vision der zu erwartenden Konflikte betrachten, die Michael Ende ~ ohne dabei eine einzige Geldsumme zu nennen ~ in leicht verständlichen, mittelalterlichen Bildern darstellt. Es hat erstaun­lich detailgetreue Ähnlichkeit mit dem, was wir z.Zt. gesellschaftlich erleben. Gleichzeitig beleuchtet Michael Ende die äußeren, seelischen und spirituellen Hintergründe und Lösungsansätze dieses Dramas. Alle drei Bereiche des sozialen Lebens werden dermaßen korrumpiert, dass am Ende ent­gleisenden Kriegszuständen der Weg gebahnt wird. (Daher wohl auch der Untertitel Hamelner Toten­­tanz.) Dennoch wird man in dieser ahrimanischen Konfrontation mit dem Bösen nicht alleine gelassen … Der stumme Spielmann ist in seiner souveränen, aber erstaunlich zurückhaltenden Art, in der er sich sogar in die völlige Hilflosigkeit begibt, gerade nicht der Verführer, den man traditionell erwarten würde. Sein rätselhaftes Sein wird nicht erklärt. Sowohl für die verschiedenen Charaktere des Stückes als auch für das Publikum gilt: Du musst es sagen.

Monika von Tigerström hat das Buch zum Solostück umgearbeitet und spielt es sehr differenziert in 7 Charakterrollen (Bürgermeister, Vogt, Abt, Bürgermeisterfrau, Tochter 14 J., lahmes Bettelmädchen, angeklagter Seher, dazu armes Volk, Landsknechte und den Spielmann als stumme Rolle mit der Flöte. Das Stück dauert mit Pausen 2½ Stunden.


Nachschlag zu „Prokrustes“

Wir wurden auf zwei Artikel aufmerksam gemacht, die uns letzte Woche bei „Waldorfpädagogik leben lassen“ nicht präsent waren. Wer sich für die von uns berührte Thematik interessiert, dem seien beide herzlich empfohlen:

Jost Schieren bringt zunächst einige wichtige Hinweisen zum Stand von Anthroposophie in der Öffentlichkeit, die den Hintergrund ausleuchten. Seine Abgrenzung gegen die „neue Rechte“ kann hier nicht Thema sein, der Artikel stammt ja noch aus der Corona-Zeit. Hauptsächlich aber geht es darum, Aspekte für das Verhältnis zwischen Anthroposophie und Waldorfpädagogik auf der einen Seite und Öffentlichkeit / akademische Wissenschaft auf der anderen Seite zu gewinnen. Schieren plädiert auch hier für einen, wie ich es nenne, willkürlichen Prokrustes-Schnitt, mit dem Anthroposophie von Waldorfpädagogik distanziert werden soll. Das ist, meine ich, nicht hinnehmbar, deswegen sei auch dieser Artikel in die Kritik genommen.

1) Zunächst bemerkt Schieren, dass Rudolf Steiner in seinem Gesamtwirken, insbesondere aber auch schon in seiner Erkenntnistheorie (für die er ein halbes Leben aufwendete) den bisherigen Wissenschaftsbegriff gehörig herausgefordert hat. Damit ist die akademische Wissenschaft, so kann man Schieren wohlwollend interpretieren, noch lange nicht fertig. Das ist richtig und ehrlich und ehrt Schieren, denn früher transportierte man in der anthroposophischen Szene eher die Illusion, als könnte Steiners Erkenntnistheorie leichthin die Anschlussfähigkeit ans heute anerkannte Akademische herstellen. Schierens kleine Bemerkung 1, Steiner habe für seine Philosophie kaum Publikum gefunden, trägt wohl zwischen den Zeilen keine Abfälligkeit, sondern das Gegenteil. Wer Steiners Erkenntnistheorie wörtlich nähme, würde in Gefilde gelangen, wo tiefere Fundamente ins Wanken kommen als im modischen „Konstruktivismus“ ohne Bodenhaftung, den Schieren zitiert. Das ist nicht jedermanns Sache. Nicht umsonst war Steiners Antwort auf die Frage, welches seiner Bücher überdauern würde: „Die Philosophie der Freiheit“. An deren grundlegendem Teil haben wohl noch Jahrhunderte zu knacken ~ und zwar motiviert dadurch, dass sie als Fundament des ungeheuren Schatzes Anthroposophie (samt Schierens „Lebensfeldern“) zu betrachten ist.

Eine sinnvolle Konsequenz für jetzt wäre daher, diese Ebene der Erkenntnistheorie sich selbst zu überlassen, als etwas, was ohnehin etwas fern liegt. Leider aber strickt Schieren schon an dieser Stelle vorbereitend die Vorstellung, Anthroposophie sei etwas Privates wie der Glaube ~ der ja durch Jahrhunderte sinnvoll von einer Theologie reflektiert (und reglementiert, würde ich hinzufügen) worden sei. 2

2) Dann folgt ein sehr selbstbewusster Umriss der Entwicklung der Waldorf-LehrerInnenbildung hin zu den von der „scientific community“ offiziell akkreditierten Formen. In diesem auf Praxis ausgerichteten Wissenschaftsbetrieb gelte die „harte Währung empirischer Forschung“. Für „die Anthroposophie als solche“, nämlich „als private Anschauung mit existenzieller Sinndimension und hohem Erbauungspotenzial“, sei hier kein Platz, während die Praxisforschung „Teil einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung“ sei.

Das steht im scharfen Gegensatz sowohl zur ausdrücklichen Intention der Anthroposophie wie ihrer Lebensfelder. Es ist bedauerlich, dass Schieren „gesamtgesellschaftliche Verantwortung“ für den handwerklichen Betrieb reservieren will. Ich stelle dagegen (siehe letzte Woche): „Gesamtgesellschaftliche Verantwortung“ wird an einer goldwerten Schrift wie Steiners „Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft“ wahrgenommen ~ im doppelten Sinne des Wortes: Man nimmt die Neuartigkeit des darin entwickelten dringend benötigten Kindheitsbegriffes wahr, und handelt dann verantwortlich, indem man davon weitererzählt: wie die ErzieherInnen, die sich trauten, auf dieser Grundlage Elternarbeit zu machen. Dazu braucht es keine akademische Qualifikation, denn: Rudolf Steiner hat die Ausarbeitung seiner Anthroposophie und ihrer Lebensfelder auf Schritt und Tritt mit der Empfehlung begleitet, dass alles mit dem gesunden Menschenverstand aufnehmbar und handhabbar sei. Es macht keinen Sinn, diesen Aspekt, diese Art von „Theorie-Praxis-Verknüpfung“ (Erziehungskunst), akademischerseits auszublenden. Man kann die Akademie nicht dazu zwingen, in solche Art von „Theorie“ einzusteigen; vielleicht will sie einfach nur von außen beobachten. Wenn das für die Waldorf-Lehrerausbildung reichen soll, geht für den akademischen Betrieb viel an Bereicherungsmöglichkeit verloren, und für die Schulbewegung natürlich erst recht. Jedenfalls ist es unwissenschaftlich, sich den Gegenstand willkürlich zurechtzuschneiden.

3) Es tritt dann nochmals das „Esoterikproblem“ auf ~ nämlich für Schieren von außen, als die bekannte diffuse Schwurbel-Verdächtigung, gegen die er sich zu verteidigen müssen glaubt. Ich habe den Eindruck, hier liegt der Hase im Pfeffer, und nicht in den (Akkreditierungs-) Anforderungen des akademischen Betriebs heutiger Form. Wenn Schieren an dieser Stelle bestreitet, dass die Anthroposophie in Gänze zum Hintergrund der Waldorfpädagogik gehört und in diesem Sinne einen Forscher wie Helmut Zander kritisiert, der ebendies natürlich zutreffend, wenn auch rein äußerlich-„kontextualisierend“, herausarbeitet, wird wissenschaftlich gebogen, nur um die Basher loszuwerden. Die Lösung ist also auch in diesem Artikel der willkürliche Cut, die Behauptung, Steiner habe dies oder das „kaum bis gar nicht für die Waldorfpädagogik veranschlagt“.

Diese Strickmuster sind menschlich verständlich, werden aber nicht nachhaltig funktionieren, weil sie wissenschaftlich nicht tragfähig sind.

Der Artikel von Christian Giersch harmoniert mit meinen Aussagen von letzter Woche. „Eine ganze Waldorfpädagogik ist ohne eine ganze Anthroposophie nicht zu haben. Wer es anders darstellt, ignoriert den Quellenstand und handelt insofern nicht wissenschaftlich, sondern interessengeleitet.“ Giersch bringt einige Beispiele, wie konkrete Inhalte der Anthroposophie mit konkreten Elementen der Waldorfpädagogik innig zusammenhängen.

Glauben Sie bitte nicht, dass solche Diskussionen im luftleeren Raum stattfinden. Das Thema Lehrerbildung ist natürlich nicht unsere Kernaufgabe, berührt eine Waldorfschule aber kontinuierlich im Alltag. Wir kennen es aus fast drei Jahrzehnten Praxis: parallel zum Schulbetrieb hält eine freie Schule Kontakt zu freien Ausbildungsstätten, ist vernetzt in der Pflege dieses Bereichs. Die vielen jungen Menschen, die gerade an einer Förderschule als PraktikantInnen Geschmack an der Tätigkeit finden, fragen nach Ausbildungsmöglichkeiten. Und gerade wenn die Schule nicht in einer Metropolregion liegt, wollen die Antworten wohl erwogen sein.

Martin Cuno

Aus LeserInnen-Zuschriften zum Thema:

1 im letzte Woche zitierten Aufsatz von Oktober 2025

2 Schieren ermöglicht sich dies durch einen Purzelbaum: Er referiert richtig, dass „das Denken“ in Steiners Erkenntnistheorie als „übersubjektiv und überobjektiv“ fungiert ~ um sofort darauf von einer „objektiven geistiger Sphäre“, von „gültigen ontologischen Ideen“ zu sprechen. Die dualistische Welt, in der man so schön „schneiden“ kann, ist schwuppdiwupp wiederhergestellt.

3 Siehe hier.

Gewaltenteilung macht’s möglich

Auch Verordnungen, die die freien Schulen betreffen, sind korrigierbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwei Schulen, die auf Überprüfung der Ersatzschulverordnung NRW geklagt haben (eine davon ist die Siegener Waldorfschule), in Teilen recht gegeben. Siehe hier bei Waldorf NRW.

Die Ersatzschulverordnung bestimmt vor allem den Rahmen für die Einstellung von LehrerInnen an „Ersatzschulen“. Insofern passt dies zu unserm obigen bzw. letztwöchigen Thema und zeigt: Es lohnt sich, über den Tellerand hinaus den Rahmen, in dem man lebt, im Auge zu behalten, sich einzusetzen ~ und sich gegebenenfalls zu wehren.

In diesem Sinne …

… als Blick in die Waldorf-Landschaft heute zwei Hinweise: 1. Vom Verband der deutschen Waldorfschulen (BdFWS) ist der Jahresbericht 2025 herausgekommen; daraus kann man ein Bild bekommen, was die Bewegung (jedenfalls auf dieser Verbandsebene) beschäftigt. 2. Ein Interview von Dieter Hornemann (Priester der Christengemeinschaft) mit dem Lehrer und Historiker Peter Lüthi beleuchtet Die Lage der Waldorfpädagogik in Russland und in der Ukraine (Youtube).



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