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Der Schmetterling ~ Nr.99

Sonntag, 7. Dezember 2025
Lernen fürs Leben Siegen e.V.

0151-5737-5277  ~  www.lfl-siegen.de

In meines Wesens Tiefen spricht
Zur Offenbarung drängend
Geheimnisvoll das Weltenwort:
Erfülle deiner Arbeit Ziele
Mit meinem Geisteslichte,
Zu opfern dich durch mich.


Das Adventsschiff …


Es kommt ein Schiff geladen …

… kommt heute Sonntag, 7. Dezember 2025, um 11.45 Uhr (vorher um 11.10 Uhr ist die Sonntagshandlung für die Kinder) in die Christengemeinschaft Siegen: eine sinnige Einstimmung in den Advent für die ganze Familie.


Die Oberuferer Weihnachtsspiele …

… finden dieses Jahr zwar ohne unsere Beteiligung statt, aber wir freuen uns sehr, dass die SchülerInnen der Rudolf Steiner Schule dieses Jahr selbst zum Zuge kommen.:

Sonntag, 14. Dezember 2025
16 Uhr Paradeisspiel ~ geeignet ab 8 Jahre
17 Uhr Christgeburtspiel ~ geeignet ab 4 Jahre

Rudolf Steiner Schule
Kolpingstr. 3
57072 Siegen


Schulkonzept in Häppchen:  Selbstverwaltung als Kulturimpuls: Die Macht des Zuhörens

Unsere neue Schule soll ja eine freie Schule werden: sie steht im Rechtsrahmen des NRW-Schulgesetzes und untersteht der staatlichen Schulaufsicht, doch behördliche Maßgaben und Entscheidungen wirken wesentlich weniger in die Schulgestaltung und Pädagogik hinein als an Schulen der öffentlichen Hand. Ein vom Verfassungs- und Gesetzgeber gewünschter Freiraum öffnet sich uns. Wie füllen und nutzen wir ihn? Wer bestimmt?

Dass Waldorfschulen „keinen Schulleiter haben“ und stattdessen eine gemeinschaftliche „Selbstverwaltung“ pflegen, hatte sich herumgesprochen, stimmt aber heute oft nicht mehr. War dies nur ein Relikt aus den „wilden 68er Jahren“, eine leicht anarchistisch angehauchte Modeerscheinung?

Nein ~ obwohl die damalige Zeitstimmung sicherlich den Gründungsboom so vieler Waldorf- und anderer freier Schulen befördert hat. Aber die Waldorfschule als großartiger Neuentwurf ist ja kein Kind jener Wohlstandsjahre, sondern des 1. Weltkrieges.

Als Rudolf Steiner 1919 in Stuttgart die erste Schule mit aufbaute, stellte er klar: diese Pädagogik kann nur leben, wenn jeder in der Schule Tätige für sein Tun selbst verantwortlich ist, und als Glied der Lehrer- und Schulgemeinschaft auch für die Schule als Ganzes verantwortlich sein will. Hierarchien und Fremdbestimmung sind da fehl am Platz. Warum? Braucht es nicht überall klar festgelegte Regeln, damit menschliches Zusammenleben funktioniert? Und ist es nicht einfacher, wenn einer das Sagen hat?

1919 lag die Frage auf der Hand, wie die Menschheit zukünftig Katastrophen wie den Weltkrieg vermeiden könnte. Steiner legte den Fokus nicht auf bessere Regeln oder deren Management, sondern strebte eine umfassende kulturelle Erneuerung an. Notwendig sei ein vertieftes Interesse von Mensch zu Mensch.

Aber die Verbindung von Mensch zu Mensch ist differenziert zu betrachten („Soziale Dreigliederung“). Während an andern Orten (z.B. in einer Fabrik) eher die wirtschaftliche Verbindung interessant ist, oder anderswo das rechtliche Verhältnis untereinander, geht es in einer Schule um das „geistige“ Interesse am individuellen unverwechselbaren andern Menschen, der „ein Ich ist“ wie ich selbst. „Interesse“ also im Sinne von Neugier und Offenheit, nicht im „politischen“ Sinne von Bedürfnis oder auch Egoismus.

Dass dieses geistige Interesse in einer Schule überragend wichtig ist, versteht sich eigentlich von selbst. Wo eben nicht Schrauben produziert oder Streitigkeiten geschlichtet werden, sondern sich das Wunder menschlichen Werdens in der Welt-Teilnahme vollzieht („Lernen“ genannt), dort ist das individuelle „Innere“ der vielen anwesenden Menschen, zu dem man sich verstehend vortastet, die größte Schatzkiste. Springen wir direkt ins Zentrum von Schule:

Da ist ein Mensch, von dem gehen Beziehungen aus zur ganzen Welt, und in jedem einzelnen aufwachsenden Kind habe ich etwas, wenn ich daran etwas arbeite, tue ich etwas, was in der ganzen Welt eine Bedeutung hat. Wir sind da im Schulzimmer: in jedem Kinde liegt ein Zentrum von der Welt aus, vom Makrokosmos aus. Dieses Schulzimmer ist der Mittelpunkt, ja viele Mittelpunkte für den Makrokosmos. ~ Denken Sie sich, lebendig das gefühlt, was das bedeutet! Wie da die Idee vom Weltenall und seinem Zusammenhang mit dem Menschen übergeht in ein Gefühl, welches durchheiligt alle einzelnen Vornahmen des Unterrichtes. Ohne dass wir solche Gefühle vom Menschen und vom Weltenall haben, kommen wir nicht dazu, ernsthaftig und richtig zu unterrichten. R. Steiner, Allgemeine Menschenkunde … (GA 293 📄).


Kinderzeichnungen offenbaren es: Es gibt nicht nur eine Königin, sondern …

Sind wir vielleicht durch traditionsgebundene Vorurteile belastet, die uns suggerieren, in der Schule müssten die Kinder, was das Soziale angeht, vor allem Regeln lernen?! Statt, sich für den faszinierenden Weltmittelpunkt zu interessieren, der jeder andere Mensch ist!

Wie aber sollten die Kinder dies lernen, wenn es ihnen die Erwachsenen in der Schule in ihrem Miteinander-Umgehen nicht vorleben würden, sondern sich in wichtigen Angelegenheiten ~ wie der Gestaltung und Verwaltung unserer Schule! ~ als Regel-Ausführer verstehen!

Es gibt Situationen, wo Menschen sich nur mit ihren Außenseiten begegnen: etwa beim Autoverkehr, wo jeder in seiner Blechkiste seinen eigenen Gedanken nachhängt. Hier reichen (weitgehend) Verkehrs-Regeln, an die wir uns halten, solange uns das kein Automat abnimmt. Wo es aber um Austausch, Aneinander-Lernen, gemeinsames Gestalten geht, da geht eine ganz andere Welt auf. An ihr nehmen wir teil mit unseren „oberen Sinnen“, die uns das Zuhören, Verstehen, das Einfühlen ermöglichen.


Eine Gesprächskultur, die daran orientiert ist, soll die Grundlage unserer Selbstverwaltung sein. Nicht, weil wir verstiegene Ethiker wären, die glauben immer soft und friedfertig sein zu müssen. Nein, Streit und Ringen (um das Verständnis der Andern) gehört durchaus zu dieser Kultur. Und auch nicht, weil wir Gleichheits-Fanatiker wären, im Gegenteil: in dieser Gesprächs- und Begegnungskultur stellt sich umso mehr heraus, wie unterschiedlich wir sind, und somit auch, wem wir welche Aufgabe anvertrauen wollen oder nicht. Denn das kann man besser an den Menschen selbst ablesen als an seinen „Papieren“. Und drittens nicht, weil uns überlange Konferenz-Nachmittage mit nicht enden wollenden Diskussionen Spaß machen. Im Gegenteil, wenn wir es aufmerksam üben, ist das inhaltliche Gespräch effektiver als schematische Entscheidungen oder Abstimmungen.

Diese kollegiale Selbstverwaltung im Sinne Rudolf Steiners können wir hier nur andeuten. Ausführlich dargestellt wird dieser Impuls im Buch von Johannes Mosmann: Was ist eine freie Schule. Die damit gemeinte Art des Miteinanders ist unserer Erfahrung nach eine Grundlage für eine lebendige Schule.

Ein wichtiges Element: möglichst versuchen wir „Einmütigkeit“ zu erreichen: Das heißt, wir stimmen nicht kurzerhand über eine Sache ab, sondern besprechen sie so lange, bis sich eine Lösung ergibt, mit der alle nicht nur leben können, sondern wollen. Wenn ich nur abstimme, bin ich als Stimmrechtsinhaber eine Nummer, gleich mit jedem anderen. Wenn ich mich dagegen inhaltlich einbringe (das muss ich allerdings tun!), finde ich Gehör und Interesse, und das Gespräch geht vielleicht in eine neue, produktive Richtung. Unterliege ich bei einer Abstimmung, grolle ich und spüre Distanz zur Mehrheit. Haben wir dagegen einen Konsens gefunden, den ich mittragen kann und will (denn ich habe tatsächlich ein Vetorecht!), dann bleibe ich ganz anders mit der Gemeinschaft verbunden, selbst wenn die Entscheidung nicht ganz nach meinem Geschmack ist: „produktive Resignation“ nannte das Stefan Leber. Das belebt die Schule, das spüren die Kinder.


… jeder Mensch ist ein Souverän und Weltmittelpunkt. (Waldorfschülerin, 1. Klasse)

Selbstverwaltung im Sinne Steiners ist primär keine „Struktur“, nach der das Miteinander geregelt werden könnte, sondern ein Weg, um das Kapital, das in der natürlichen Menschenbegegnung liegt, produktiv zu nutzen. In der Begegnung geschieht vielfältige Wahrnehmung des andern Menschen, die ganz „subjektiv gefärbt“ ist. Es geht nun nicht darum, dieses Subjektive auszuschalten, sondern ~ das muss jeder Einzelne wollen ~ es bewusst zu ergreifen im geschilderten Sinne: den Andern zu verstehen. Wie von selbst ~ im Zuhören ~ geschieht dabei die Anerkennung des Andern mit seinen Qualitäten und Fähigkeiten. Das geht von der subtilen Aufmerksamkeit beim ersten gesprochenen Satz (oder Gesamteindruck) bis hin zur deutlichen Feststellung, dass der Andere über eine ganz bestimmte Kompetenz verfügt. Diese wechselseitigen Anerkennungen, die sich in jedem sachlichen verständnisorientierten Gespräch ergeben, können erst sinnvoll die Grundlage für Aufgabenverteilungen und somit auch für eine (stets nur temporär) verabredete „Struktur“ sein. Wir müssen „die Macht des Zuhörens“ nutzen! Mosmann:


Die Aktivität (und damit die „Macht“) liegt in Wahrheit auf Seiten des Zuhörers, der seine Anerkennung jederzeit auch wieder versagen und sein Interesse einem anderen zuwenden kann. Dieser Bildungsprozess, wie er in der Natur der menschlichen Begegnung begründet ist, ist für Rudolf Steiner zugleich das einzige berechtigte Organisationsmittel für das gesamte Geistesleben. Rudolf Steiners Freiheitsbegriff handelt von der Rückgewinnung der individuellen Herrschaft über den Prozess der Autoritätsbildung. 1

Vielleicht ist diese Art des Miteinander-Umgehens nicht jedermanns Sache. Mancher mag sich eher am Rande halten, was ja möglich ist, besonders beim nicht-pädagogischen Personal, und auch bei den Eltern, die ja ebenfalls bei Interesse einbezogen sind (siehe unsere Satzungen). Bei den PädagogInnen aber wünschen wir uns diese aktive Beteiligung sehr! Und deswegen gehen die Personal-Entscheidungen ~ mit wem wollen wir uns verbinden in unserer Tätigkeit ~ von der Lehrerkonferenz aus. Sie ist in unserer Träger-Satzung als zentrales Selbstverwaltungsorgan beschrieben.

*

In der Waldorflandschaft ist im Lauf der Jahrzehnte die Frage aufgekommen, ob das skizzierte Bild von Selbstverwaltung heute noch tragfähig ist ~ oder ob die Alltagsverhältnisse (Familie, Work-Life-Balance) heute so anspruchsvoll geworden sind, dass kaum jemand Zeit und Kraft für dieses sich-Einbringen hat; dann wäre Hierarchie doch besser. 2

Unsere Gegenthese ist eine doppelte: Erstens: die im Sinne Steiners im freien Geistesleben zu übende Selbstverwaltung muss nicht mehr Zeit und Ressourcen rauben als andere Strukturen ~ aus dem schlichten Grund, weil sie gerade keine Struktur ist. Vielleicht hat man wöchentliche lange Konferenzen vor Augen, bei denen alle über alles reden. An dieser Stelle wirkt vielleicht ein Nachklang der „68er“, wo Partizipation oder Mitbestimmung nur als Abstimmung gedacht werden konnte. Das gegenseitige Wahrnehmen, die „Macht des Zuhörens“, kann und soll sehr wohl dazu führen, dass in effizienter Weise durch erarbeitetes Vertrauen delegiert wird. Aber die Delegierung ist unser Akt, nicht der eines Schulleiters oder einer „Struktur“, und sie bleibt in unserer Hand, weil wir sie rückgängig machen können. Auf diese Weise gibt es z.B. einen oder mehrere SchulsprecherInnen, die die Schule verbindlich nach außen vertreten. Diese an Waldorfschulen häufige Lösung ist kein strukturelles Wunderwerk, für das man erst Spezialisten herbeiziehen müsste, andere Modelle der Verantwortungsübernahme ebensowenig.

Zweitens: diese Selbstverwaltung muss keine Kraft zehren, sondern kann sie geben, wenn sie präzise verstanden wird. Schon in seiner „Philosophie der Freiheit“3 zeichnete Steiner die Perspektive, dass der zunehmende Individualismus, wenn er sich geistig orientiert, nicht in eine Zersplitterung führt (woraus dann die heutigen „Spaltungen“ kristallisieren können), sondern dass das Vertrauen in eine menschheitlich gemeinsame „geistige Welt“ (ganz un-esoterisch gemeint) fundamental gerechtfertigt ist ~ es muss nur geübt werden und tätig zum Zuge kommen dürfen. Und entsprechend tritt, wo Menschen sich in diesem Sinne zu Tätigkeiten verbinden, eine Kraft der Gemeinschaftsbildung hinzu, die vorher nicht geahnt wurde. Steiner hat dies den Lehrern 1919 in Stuttgart mit auf den Weg gegeben 4. Später sprach er vom „Erwachen am Geistig-Seelischen des andern Menschen“, das Gemeinschaften Kraft geben könne, wenn sie es bewusst kultivieren. Allerdings lieferte er zugleich eine Erklärung dafür, dass gerade in solchen Gemeinschaften „am aller­meisten gestritten wird“: weil, kurz gesagt, das Alte und das Neue heftig durcheinanderpurzeln, wenn man es nicht unterscheidet. Als Gegenmittel nannte er „das Mittel der innerlichsten durchseelten Toleranz“, zu der man sich erziehen solle. Damit meinte er gerade nicht, dass „Meinung gegen Meinung stehenbleibt“, denn „eine Meinung ist nur eine verhärtete Gedankenform“. Sondern er mahnt schlicht, aber tieferliegend das ordentliche Zuhören an, das er schon damals im kulturellen Niedergang sah. 5

Diese Gemeinschaftsbildung können wir hier ebenfalls nur antippen, nicht vertiefen. Sie hat nichts Geheimnistuerisches oder Ausschließendes, sondern gehört wie die Selbstverwaltung ganz öffentlich zum gesamten Kulturimpuls, der Waldorfpädagogik und Anthroposophie umfasst.6

*

Zum Abschluss daher noch ein abrundender Aspekt: In unsern turbulenten und besorgten Zeiten klopft die Frage, wie Schule zu Demokratie, Toleranz, Gemeinschaftsfähigkeit erziehen kann, wieder verstärkt an die Tür. Die Vorbildfunktion von Erwachsenen-Kommunikation (die Kinder nehmen wahr, wie wir unsere Schule führen) haben wir schon angedeutet. Die SchülerInnen nehmen aber zugleich und vielleicht umfänglicher die Kommunikation von Erwachsenen in der (großen, medial vermittelten) Politik wahr, die offenkundig einen ganz anderen Geschmack gibt. Statt Interesse am Andern, ja selbst statt Argumenten finden wir eher psychologische Verkaufstricks, Frontenbildung, schließlich Erstickung von Sachfragen in überflüssigen Spaltungen nach Nähe oder Distanz, einen Wust von Moral oder Scheinmoral, um nicht von „Hass und Hetze“ zu sprechen. Und die Kinder erleben natürlich, dass sich all dies in den Gartenzaun- oder Familiengesprächen in gleicher Färbung niederschlägt. Und in der Schule.

Als Pädagoge drängt sich einem die Frage auf: Muss Politik so laufen ~ z.B. weil das Parteiensystem mit seinem Fraktionszwang das bedingt? Und wie können wir trotzdem die Kinder und Jugendlichen in einer positiveren Demokratie- und Gemeinschafts-Perspektive erziehen? Wir könnten vor den Heranwachsenden kaum verantworten, die Verrohung des politischen Klimas der letzten Zeit einfach hinzunehmen und „Menschlichkeit“ etwa nur für das Private, oder nur für „moralische Erziehung“ zu reservieren.

Das Politische aus der Schule heraus zu halten, kann also keine Lösung sein. Und in diesem Zusammenhang wird oft an den Beutelsbacher Konsens erinnert. Tatsächlich, er ist ein hervorragend formulierter Orientierungspunkt schulischer Debattenkultur. Unter anderem sagt er: „Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.“ Dem hätte der Erfinder der Waldorfschule vollkommen zugestimmt. Indessen reichen diese Vereinbarungen offensichtlich nicht, um die Pflege einer positiven Begegnungskultur zu impulsieren. Das liegt nicht etwa daran, dass der Beutelsbacher Konsens nur zwei Seiten Papier umfasst, sondern dass er die Frage nach der Quelle von und der Zuständigkeit für Kultur und Schule nicht zu stellen wagt. Diese können und dürfen nach Steiners Ansatz eben nicht im staatlichen Bereich liegen, so demokratisch der jeweilige Staat auch sei. Demokratisches Debattieren und Abstimmen ist etwas grundsätzlich anderes als das „Erwachen am anderen Ich“, das können wir hier lernen. Die Schieflage fängt nicht erst bei den Parteien an. Die Demokratie darf sich nicht selbst überlassen bleiben; sie kann sich nicht selbst aus dem Sumpf ziehen; es macht keinen Sinn, den Staat zu überfordern. Der Funke muss von woanders her kommen. Die Demokratie muss, schreibt Johannes Mosmann, erweitert werden:

Auch die beste Demokratie kann nur einen kleinen Ausschnitt des gesellschaftlichen Lebens erfassen und beeinflussen. Die wichtigsten Lebensbereiche sind aufgrund ihrer Natur für Abstimmungs- und Wahlverfahren prinzipiell nicht zugänglich. Unser demokratischer Impuls zielt aber auf eine vollumfängliche Mitgestaltung der Gesellschaft. Deshalb kollidieren beide, demokratisches Ideal und gelebte Demokratie, immer häufiger miteinander. Dies bewirkt wiederum die vielfältigen Verfallserscheinungen der Gegenwart, angefangen vom Erstarken herrschender »Eliten« bis hin zur Radikalisierung immer neuer »Verfassungsfeinde«. Das vorliegende Buch zeigt demgegenüber auf, wie wir dem demokratischen Ideal geeignete Mittel für seine vollständige Realisierung an die Hand geben können. 7

In diesem „Beistand“, der aus dem „Geistesleben“ kommen muss, können freie Schulen im Sinne Steiners eine Aufgabe sehen. Vielleicht können wir als Förderschule im Sozialkunde-, Wirtschafts- oder Politik-Unterricht keine allzu großen Höhen erklimmen. Das andere ist aber ohnehin viel wichtiger. Die Umgangsformen, auf die wir uns unter Erwachsenen verständigen, unsere Selbstverwaltung, ist von der Erziehungspraxis nicht zu trennen: beiden geht es um das Erwachen am Inneren („Geistig-Seelischen“) des andern Menschen. Die Schulen sollten sich als resiliente Orte verstehen lernen, wo diese besseren Perspektiven gewusst und für kommende Generationen geübt werden.

Martin Cuno


1 Im angegebenen Buch auf S.25 (pdf-Ausgabe: S.22).

2 Siehe auch Schmetterling Nr.22, im „Klappspiegel“.

3 Im 9. Kapitel, „Die Idee der Freiheit“.

5 Vorträge über „Anthroposophische Gemeinschaftsbildung“, GA 257 📄, insbesondere die Vorträge vom 27. und 28. Februar, und wiederaufgreifend die vom 3. und 4. März 1923. ~ „Auch eine Meinung ist nur eine verhärtete Gedankenform, an die man sich klammert, weil man denkt, dann weiß man ja, wer man ist.“, sagt nicht Rudolf Steiner, sondern die Echse.

6 Siehe dazu auch „Waldorfpädagogik leben lassen“.

7 Klappentext eines weiteren Buches von Johannes Mosmann, das wir für den Hintergrund sehr empfehlen: Die erweiterte Demokratie.

W / Z

Waldorf-Zeitschriften …

… gibt es verschiedene. Das neue Heft von erWACHSEN&WERDEN ist, wie letzte Woche angekündigt, pünktlich am Montag erschienen. Wir wollen bei dieser Gelegenheit durchaus genauso empfehlend noch einmal auf die vom Waldorf-Verband herausgegebene Zeitschrift „Erziehungskunst“ hinweisen und dem Eindruck vorbeugen, wir würden diese etwa irgendwie als Organ der Alt-Waldorfschulen geringschätzen. Wir schreiben zwar beispielsweise oben von „Alt und Neu“, aber es liegt uns selbstverständlich nicht das Geringste daran, das zu einer sozialen Schublade zu machen. Wenn wir auf die „Erziehungskunst“ vielleicht nicht in gleichem Maße eingehen, hat das eher den Grund, dass diese monatlich erscheinende Zeitschrift seit einiger Zeit nicht mehr zeitnah online steht, sondern jeweils für die ersten drei Monate nur den Abonnenten und (kostenlos) den Eltern der Verbandsschulen als Papierausgabe offensteht. Bis sich dann ein Heft aus dem Schulranzen wieder herausgequält hat, und bis wir festgestellt haben, ob ein Artikel, auf den wir gern Bezug nehmen würden, etwa doch schon öffentlich online steht und, wenn ja, ob die Versionen übereinstimmen ~ ist schon zuviel Zeit vergangen. Eine lebendige Diskussion befürworten wir auf jeden Fall und haben den Eindruck, dass eine solche (mit online-Kommentaren und Leserbriefen) früher mehr gegeben war. Vielleicht möchte jemand an entsprechender Stelle darauf hinwirken. Den Hinweis neulich auf die Oktober-Ausgabe (das Prokrustes-Thema) verdanken wir einem aufmerksamen Leser. Natürlich sind solche Hinweise (und auch Ihre Kommentare!) für den Schmetterling sehr willkommen!

Übrigens: genauso willkommen sind stets Kinderzeichnungen ~ aus denen einen die Weltweisheit ja oft geradezu anspringt, völlig kostenlos, international und unzensiert, siehe oben. Immer gerne zu uns!



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