Der Schmetterling ~ Nr.88 Sonntag, 7. September 2025 0271-7411-0102 ~ www.lfl-siegen.de |
Es dämpfet herbstlich sich
Der Sinne Reizesstreben;
In Lichtesoffenbarung mischen
Der Nebel dumpfe Schleier sich.
Ich selber schau in Raumesweiten
Des Herbstes Winterschlaf.
Der Sommer hat an mich
Sich selber hingegeben.
Keine Angst, wir wollen uns nicht „politisch äußern“ zur Wahl am nächsten Sonntag. Ganz anders: wir nehmen die Wahl hier einmal zum Anlass, ein großes DANKE zu sagen, nämlich speziell all denjenigen Menschen, die kommunalpolitisch oder auch in den kommunalen Verwaltungen tätig sind, ehrenamtlich oder beruflich. Wie wir dazu kommen?
Eigentlich müsste sich doch wohl jeder mal bei diesen Kümmerern bedanken ~ wir tun es hier als Initiative. Bei unserer Grundstückssuche kommen wir öfters in Kontakt mit diesen Menschen. Und zumeist können wir uns dabei freuen über warmes und offenes Interesse an unserm Anliegen. Ist das nur deswegen so, weil eben die „Interessen“, z.B. die wirtschaftlichen, zueinander passen? Also weil unsere anvisierte Schule die entsprechende Gemeinde finanziell entlasten würde? Nein, wir haben das Gefühl, dass in der Kommunalpolitik ganz viele Menschen tätig sind (die meisten opfern ja ehrenamtlich einen erheblichen Teil ihrer Freizeit), die sich schlichtweg für ihre Mitmenschen in der Gemeinde interessieren und denen es Freude macht, sich für gemeinsame Anliegen einzusetzen. Auch bei unserer alten Schule war das so. Nicht nur Frau A oder Herr B als direkte Nachbarn aus dem Alchetal, die ohnehin täglich mit Fahrrad oder Auto an der Schule vorbeikamen, schauten herein, sondern auch Ratsmitglieder aus andern Stadtteilen empfanden sich offenbar als Nachbarn.
Wie könnte das auch anders sein! Das Bild vom angeblich naturgegeben knallharten Interessenkampf kommt wohl eher aus der „großen“ Politik, wo man die vom eigenen Handeln Betroffenen nicht persönlich kennt, und wohin man sich erst hochgearbeitet haben muss. Wenn man dagegen Nachbarn hat und mit ihnen gut zusammenleben will, dann geht das nicht, indem man taktisch immer nur seinen eigenen „Vorteil“ sucht. Oder wenn man nur mit denen zu tun haben will, die genauso ticken wie man selbst. Entweder man interessiert sich für seine Mitmenschen, nimmt an ihrem Leben teil, oder nicht.
Dieses Interesse zu wecken, ist auch ein Anliegen der Waldorf-Pädagogik. Durch Ethik-Unterricht? Nein, durch Geographie! Im Stuttgarter Vortrag vom 14. Juni 1921 (GA 302) bedauert Steiner, dass der Geographieunterricht gegenüber dem Geschichtsunterricht vernachlässigt worden ist. „Der Raum gehört zu diesem Menschen dazu. Er ist ein Glied in der räumlichen Welt, insofern er ein Beine- und Füßemensch [im Gegensatz zum Kopfmenschen] ist.“ Mit einem anschaulichen Geographieunterricht, der den Kindern den Raum erlebbar macht,
„stellen wir den Menschen in den Raum hinein, wir bilden insbesondere dasjenige in ihm aus, was ihm ein Weltinteresse beibringt, und das wird sich in der verschiedensten Weise in der Wirkung zeigen. Ein Mensch, mit dem wir verständig Geographie treiben, steht liebevoller seinem Nebenmenschen gegenüber als ein solcher, der nicht das Daneben-im-Raum erlernt. Er lernt das Danebenstehen neben den anderen Menschen; er berücksichtigt die anderen. Diese Dinge gehen stark in die moralische Bildung hinüber, und das Zurückdrängen der Geographie bedeutet nichts anderes als eine Aversion gegen die Nächstenliebe, die sich in unserem Zeitalter immer mehr und mehr zurückdrängen lassen musste.“
Andererseits werde der Geschichtsunterricht falsch betrieben, indem man sich zu sehr auf die Geschichte der eigenen Region fokussiert (und, selbstverständlich: die „Narrative“ stets den jeweils aktuellen „Blasen“-Bedürfnissen anpasst); dadurch werde „falscher Patriotismus und dergleichen“ geweckt, ja man
„wirkt insbesondere auf das Eigensinnigwerden des Inneren, auf das Launischwerden des Inneren. Das ist eine Nebenwirkung. Und vor allen Dingen macht man dadurch die Menschen abgeneigt, den Welterscheinungen gegenüber objektiv zu sein. Und das ist ja das große Übel in unserer Zeit. Das nicht gehörige Treiben der Geographie und das Treiben eines falschen Geschichtsunterrichtes im Verlauf dieses Zeitalters hat viel von dem bewirkt, was die große Krankheit unseres Zeitalters ist.“
Diese hier nur angetippten Zusammenhänge sind ein Beispiel dafür, wie Steiners Pädagogik ihrer Zeit weit und tief voraus war. Liegt es heute nicht auf der Hand, dass das „Danebenstehen neben den anderen Menschen“ eine globale Frage ist, dass das „Nachbar“-Bewusstsein dringend hochzuskalieren wäre? Und wenn man heute über Ursachen mancher politischer „Haltungen“ oder gar der Gleichgültigkeit und Politikverdrossenheit rätselt und sie in falscher oder fehlender „Vermittlung“ durch die Schule vermutet: bleibt man damit nicht letztendlich in nutzloser moralischer Nabelschau („Eigensinnigwerden des Inneren“) hängen und es würde sich lohnen, über Steiners offensichtlich eine tiefere Ebene berührende Anregungen nachzudenken? Unmittelbar vor den obigen Zitaten ließ Steiner sich über die nicht nur Nutzlosigkeit, sondern Schädlichkeit des „Predigens“ aus …
Zum Schluss noch die Frage, ob der Erfinder dieser Pädagogik ein verträumter Idealist war, für die konkrete große Politik unbrauchbar? Gerne geben wir dem damaligen französischen Star-Journalisten Jules Sauerwein das Wort, weil diese Äußerungen noch zu unbekannt sind. In einem Interview in einer Baseler Tageszeitung, 1 Jahr nach Steiners Tod, sagte Sauerwein:
Und 1932 schreibt Sauerwein:
„Staatsmänner, Volks- und Heerführer habe ich zur Genüge gekannt. Was bleibt von ihnen, wenn ihre Zeit aus ist? Aber große und fruchtbare Gedanken wie die von Steiner sind eine geistige Macht, deren Wirkung sich gerade in schmerzhaften Weltkrisenzeiten, wie wir sie augenblicklich erleben, und wie er sie vorausschauend prophezeit hatte, bemerkbar macht.“ 1
Demnach besteht wohl sozusagen Hoffnung für die „große“ Politik: einerseits von den großen, haltbaren Gedanken her, die Sauerwein meint und die auszugraben wären ~ damit sie sich nicht stets wiederholt als Krise „bemerkbar machen“. Und andererseits (um den Kreis dieser scheinbar ausschweifenden Überlegungen zu schließen) von unten her, wo in der Kommunalpolitik Mitmenschen tätig sind, denen es weniger um Macht und die eigene Partei, sondern einfach um gutes Zusammenleben geht (falls wir das nicht zu rosig sehen). Also DANKE!
1 Beide Zitate aus dem Buch von Wolfgang G. Vögele (Hg.): Der andere Rudolf Steiner. Dornach 2005. ⇑
Am Samstag, 13. September 2025, 19 Uhr gibt es an der Rudolf Steiner Schule Siegen ein Konzert: Vocapella Siegen mit ihrem Progamm „Sound of Science ~ Von Mondmeeren und Sternenstaub“.
In ihrem neuen Programm zünden Vocapella ihr musikalisches Spaceshuttle für eine interstellare Rhapsodie durch Klang und Raum. Die 15 Lunautinnen um Pilotin Christina Schmitt nehmen vierstimmig Kurs auf den Erdtrabanten und darüber hinaus. Mal a cappella, mal mit Band treffen sie dabei den Mann im Mond, schweben völlig losgelöst von der Erde durchs All und machen den Himmel zu einem Platz auf Erden.
Das Ensemble hat sich mit Astrophysikerin Joana Wokittel eine wissenschaftliche Kommandantin an Bord geholt, die das Publikum zwischen galaktischen Hits und überirdisch schönen Liedern auf den neuesten Stand der Weltraumforschung slammt. Charmant, unterhaltsam und informativ erklärt sie, warum wir uns alle mehr für Exoplaneten interessieren sollten und wie ein Kaninchen auf den Mond gekommen ist. Sie wollen noch mehr erfahren? Kein Problem, im Licht des Mondes werden auch Fragen aus dem Publikum beantwortet.
Mit dieser stimmungsvollen Mischung aus Chor-Arrangements, Soli und Science Slam dringen Vocapella in Harmonien vor, die so noch nie ein Mensch zuvor gehört hat. Der Kosmos rockt!
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